First Description of Madelung Wrist Deformity 1878



Otto Wilhelm Madelung - Die spontane Subluxation der Hand nach vorne. Verhandlungen d. deutschen Gesellschaft fur Chirurgie 7:259-276,1878 ( The Spontaneous Forward Subluxation of the Hand- Proceedings of the German Association of Surgeons 1878 )

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XVIII Die spontane Subluxation der Hand nach vorne.
Von Dr Madelung in Bonn *
(Iliuzu Tafel V Fig 3 - 8)
Traumatische Luxationen der Hand im Radio-Carpalgelenk werden ,wie bekannt,äusserst selten Gegenstand chirurgischer Beobachtung.
Recht häufig hingegen sicht man Verschiebungen der einzelnen,das Handgelenk bilbenden Knochentheile zu einander, die hervorgebracht sind durch schwere entzünndliche Veräanderungen der Knochen und des Gelenkapparates.
Mit den letzteree, den sogenannten pathologischen Luxationen der Handzusammen finden bei eningen Schriftstellern Fälle Erwähnung, wo Subluxationsstellung der Hand nach vorne beobachtet wurde,ohne dass irgend ein Zeichen von vorangegangener Entzündung aufzufinden war, ohne dass nachweisbar ein Trauma das Glied betroffen hatte.
Derartige Misstellungen der Hand sollen in langsamer Weise;spontan entstchen.
Die bisher gelieferten Beschreibungen dieser letztgenannten Erkrankung des Handgelenkes sind nur kurz und ziemlich ungenau gewesen.
Die Schilderung ähnlicher Beobachtungen erscheint erwünscht.
Aber mehr noch ,als die Absicht,diesem Bedürfnisse abzuhelfen,veranlasst mich zu der vorliegenden Mittheilung der Wunsch ,eine Erklärung des anscheinend räthselhaften Zustandekommens dieses Leidens zu versuchen ,der Wunsch,wesentliche^Analogicen ,die zwischen diesen und haäufiger beobachteten und besser beckannten Formstörungen anderer Extremitätentheile bestchen ,klar zn legen.

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*Nach einem am 4 Sitzungstage des VII Congresses der Deutschen Gesellschaft fur Chirurgie zu Berlin ,13 April ,gehaltenan Vortrage.



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Die auf Taf.
V.
gegebenen Zeichnungen geben das äussere Bild eines der höchsten Grade, in dem ich die besprochene Deformität der Hand zu.
Gesicht bekam.
Am auffallendsten ist der Anblick der nach vorn subluxirten Hand , wenn wir sie von der Ulnaseite aus im Profil betrachten (Fig 3).
Der Vorderarm ist anscheinend wohlgebildet.
Unter der normalen,ziemlich straff gespannten Haut tritt das untere Ende der Ulna deutlich hervor .
Processus styloideus ,wie Gelenkfläche sind für das Auge erkennbar und fü den Finger umgreifbar .
Die Hand , für sich allein betrachtet, ist normal .
Aber sie ist nach der Volarseite zu herabgesunken .
Der Dickendurchmesser des Handgelenkes ist fast um das Doppelte vergrössert.
Nicht ganz so deutlich und weitgehend erscheint die Hand nach vorne subluxirt,wenn sie von der Radialseite her beschen wird.
Die Extensorensehnen, die über den Radius nach dem Handrücken zu steichen ,überbrücken und verdecken die tiefe Lücke , die vor der Ulna-Gelenkfläche so auffallend war.
Aber auch von der fast verdoppelt .
Geht man mit der Hand tastend über den Radius nach abwärts ,wenn die Hand in Dorsalflexion steht , die grosser Theil der Gelenkfläche des Radius frei zu fühlen ist.
Wenn man , bei nur einseitigem Vorkommen der Erkrakung , Vergleichungen mit dem Radius der gesunden Seite anstellen , Vergleichungen , dass die ganze untere Epiphyse des Radius der deformirten Seite etwas nach der Vola zu abwärts gebogen ist.
Bei Besichtigung des Rückens von Hand und Vorderarm in der Mitteltellung zwischen Beugung and Streckung wird in einzelnen Fällen eine leichte Radialabduction , in anderen leichte Ulnarabduction der Hand auffallend .
Bei Untersuchung der Volarseiten fällt das "brückenartigo" Hervortreten der Beugeschnen auf.
Unter ihnen zeichnen sich besonders deutlich ab der Flexor carpi radialis und ulnaris,der Palmaris longus


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Schon die Betrachtung der Abbildungen genügt ,um festzustellen ,wie beträchtlich die Dislocation der Hand zum Vorderarm in diesen schwersten Fällen ist.
So lange ich bei der Untersuchung solcher Fälle auf Anblick und Durchtastung beschränkt war,musste ich annchmen , dass die erste Reihe der Carpalknochen mit ihrer Gelenkfläche nur noch den untersten Rand der Gelenkfläche des Radius berühren könne , ebenso dass dieselbe aus ihrer Verbindung mit der Ulna , wie dieselbe durch die Cartilago triangularis vermittellt wird, vollständig gewichen sci.
Aber diese Annahme wurde wesentlich modifieirt , als ich eine spontan subluxirte Hand anatomisch zu untersuchen Gelegenheit bekam .
An der Leiche eines ca.
20jährigen ,gut gebauten ,anscheinend kurz nach der Entbinding gestorbenen Mädehens , die zum chirurgischen Operationscursus von aussen eingebracht worden war ,fand ich die linke Hand in einer so hochgradigen Weise subluxirt ,dass die Entstellung der Form derjenigen gleichkam,welche die auf Taf.
V.
abgebildete Hand zeigt.
Die Versellung war "typisch" .
Jedes Zeichen von chronischer Knochenentzündung fehlto,sowohl an dem linken Arme ,wie am ganzen übrigen Skelet.
Ich konnte ,auch ohne Näheres über die Krankengeschichte dieses Falles zu wissen ,in der Diagnose "spontane Luxation" nicht irre gehen .
Arm und Hand wurden in einer Kältemischung erhärtet ,dann in 3 Sagittal - Scheiben zersägt.
Ein Sägeschnitt wurde derartig angelegt , dass er den Kopf des Os capitatum und dessen Pfanne im Os lunatum halbirte (Fig 7) .
Ein zweiter Sägeschnitt theilt den unteren Theil der Ulna in zwei gleiche Theile (Fig 8) .
DieLage der knöchernen Theile des Handgelenkes in den noch gefrorenen Scheiben wurde mit Hülfe von einseitig mattgeschliffenen Glasplatten fixirt .
Ich gebe die beiden so gowonnenen Umrisszeichnungen auf der Taf.
V.
Ich vermied jedwede Aenderung und Ausführung der Zeichnung ,um in Nichts die Naturwahrheit zu stören .
Zur leichten Demonstration der Veränderung ,welche mit Lagerung der Knochen und Gelenktheile vor sich gegangen ,füge ich die Umrisszeichnung des Sagittalschnittes einer normalen Handwurzel bei,wei sie Henke* giebt (Taf.
V,Fig 6) .
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* Atlas der topographe Anatomie Tafel 49 .
Fig 7


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Ich bemerke nur noch ,dass bei dem in Fig 7 abgebildeten Durchschmitt der Radius ganz nahe^ seiner ulnarwärts gerichteten Fläche , dass Theil bereits die Incisura semilunaris von der Säge getreffen ist ,so dass die bei weiterer Untersuchung hervortretende starke Neigung der Radiusepiphyse nach der Vola in diessem Bilde nicht zu erkennen sein kann.
Doch ich kehre wieder zur Beschreibung derjenigen Symptome der Handsubluxation zurück ,die am Lebenden zu bemerken sind.
Nur in sehr geringem Grade ist es möglich ,die Handwurzelknochen nach aufwärts zu schieben.
Hierbei wird jedoch die Handwurzel nur der Ulna genähert.
Zwischen Radius und Carpus ist keine grössere Verschiebbarkeit ,als bei einem normalen Handgelenk.
Ein Blick auf den anatomischen Sagittalschnitt (Fig 7) zeigt,weshalb dies so ist.
Der Höcker ,in den der ebere Rand der Radius-Gelenkfläche verwandelt ist ,muss jedes Aufwärtsschieben der Handwurzel verhindern.
Lässt der Zug an der Hand in der Richtung des Längdurchunessers und der gleichzeitig ausgeübte Druck auf die Volarseite der Carpalknochen ,durch die anscheinend die theilweise Reposition verrichtet wurde,nach,so stellt sich die alte Formstörung wieder her.
Und selbst im Grade dieser "Reponibilität" sind die einzelnen Fälle noch etwas verschieden.
Bestand Schmerzhaftigkeit im Handgelenk (wie wir später sehen werden, in den frischeren Formen ,während der Entwickelung des Leidens),so sah ich die Reponibilität geringer,als in solchen Fällen,wo jede Bewegung schmerzlos geworden war.
Immer ,und dies ist gewiss wichtig genung ,ist es möglich,zwischen der ersten und zweiten Reihe der Carpalknochen ,im Intercarpalgelenk,Bewegungen zu machen , die weit die Grenze der normalen ,eigentlich nur federnden Beweglichkeit zwischen beiden übertrifft.
Der Effect der beschriebenen Abnormität der Form ist eine nicht unrehebliche Functionsstörung.
Behindert ist sowohl die active ,als die passive Dorsalflexion der Hand ,entsprechend dem Grade der Subluxation.
In den schlimmsten Fällen war die Hand nur um ein Minimum aus der gestreckten Mittelstellung durch die Hülfe der Dorsalflexoren zu entfernen.
Aber auch bei leichteren Graden des Uebels war die Dorsalflexion weit geringer, als dieselbe normalen Händen möglich ist .
Die Befähigung zur Volarflexion war, so weit nicht Schmerzen Beschränkung auferlegten ,normal,oft eher vermehrt ,als vermindort.



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Beschränkt war in einzelnen Fällen ,wenn auch nur unbedeutend^ ,die Ulnarabduction; in anderen ,z.
B.
demjenigen,der das Leichenpräparat lieferte,jedoch die Radialabduction.
In dieser Bezichung herrscht ,so viel ich sehe ,keine Regelmässigkeit.
In einzelnen Fällen ist die Sehmerzhaftigkeit der Gegend des Handgelenkes eine hochgradige.
Bestimmte ,auf Druck schmerzhafte Punkte sind nur selten,meist dem oberen Rande der Gelenkfläche entsprechend,auffindbar.
Aber hochgradig schmerzhaft ist jede Bewegung ,besonders die Dorsalflexion .
Die Schmerzen wereden hierbei sowohl auf der Volarseite,als auf der Dorsalseite des Gelenkes empfunden.
Es war ein 18jähriges,durchaus gesundes Bauermädehen,bei dem ich 1868 zum ersten Male an beiden Armen die ausgesprochenste Form der Subluxation beider Hände nach vorne beobachtete .
Die Symptome waren die beschriebenen .
Dieses Individuum erklärte,fast vollständig arbeitsunfähig zu sein .
Erst im Jahre 1871 beobachtete ich bei einem 16jährigen Mädchen,der Tochter wohlhabender ,in Köln wohnender Eltern ,dasselbe Leiden, dieses Mal nnr an der rechten Hand.
Seitdem kamen die Fälle relativ häufiger ,grösstentheils als Kranke der Bonner chirurgischen Poliklinik zu meiner Beobachtung ,so dass ich bis jetzt bei einem Dutzend verschiedener Personen Subluxationen einer oder beider Hände nach vorn beobachtet habe,die bald dem als typisch Anfangs beschriebenen Falle an Schwere gleichkamen ,zwei Mal ihn entschieden ühertrafen ,selten um Einiges hinter demselbenzurückbleiben .
Neun Mal beobachtete ich die Subluxation einseitig ,vier Mal an der rechten Hand,fünf Mal an der linken .
Ein Mal finde ich in meinen Notizen die Körperseite nicht angegeben.
Zwei Mal waren beide Hände erkrankt.
Das weibliche Geschlecht war bedeutend mehr ,als das männliche ,zu diesem Formfehler disponirt (8:4) .
Das jüngste Lebensalter ,in dem das Leiden anftrat,war das 13 Jahr .
NachVollendung des 23 Jahres wurde die Entstchung des Leidens (anscheinend bedingt durch besondere Umstände) nur bei 2 Personen beobachtet .
Mit Ausnahme des einen oben erwähnten Falles, gehörten sämmtliche Patienten des einem oben erwähnten FFalles ,gehörten sämmtliche l'atienten den arbeitenden Classen an.
In keinem der beobachteten Fälle war die Deformität angeboren ; in keinem war die Entstchung auf ein Trauma leichter oder schwerer Art zurückzuföhren .



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Nie bestanden Zeichen acuter oder chronischer Entzündung an irgend einem Theile des Gelenkapparates.
In den meisten Fällen gaben die Patienten an,dass schweres,anhaltendes Arbeiten die Ursache gewesen.
Doch ist hervorzuheben,dass in keinem Falle eine Handarbeit vorangangen ,die von ganz besonders anstrengender und diejenige ,die Leute der arbeitenden Classe zu thun gewohnt sind, übersteigender Art gewesen wäre .
Frauen glaubten hänfig die Ursache des Leidens in anhaltendem Waschen suchen zu müssen.
Ein 25jähriger Gerber,bei dem die Deformität an beiden Händen beobachtet wurde ,machte ziemlich bestimmte Angaben .
Durch schwere Arbeit ,besonders durch das immerwährende Heben der zu gerbenden Felle seien seine Handgelenke sehr schmerzhaft geworden ,die Knochen (ulnae) seien herausgetreten .
Nach einiger Zeit hätten sich die Schmerzen von selbst verloren ,aber es sei ihm aufgefallen ,dass er beide Hände nichte wie früher nach hinten habe beugen können, besonders nicht die linke Hand *.
Zwei andere Männer waren Ackerer ,einer Schuster.
Es war schwer ,ein Urtheil darüber zu gewinnen ,wie lange Zeit erforderlich war,um so hochgradige Formen von Handsubluxation ,als der algebildete z.
B.
ist,hervorzubringen .
Die meisten Patienten gaben 1 bis 2 Jahre an.
Ein Fall ,allerdings besonderer Art,erlaubte mir wenigstens eine annähernd sichere Bestimmung.
Die 27 jährige Marie Herchenbach aus Bolhausen kam am 18 October 1876 in die chirurgische Poliklinik mit Tendovaginitis crepitans der Extensoren des rechten Vorderarmes.
Auf der Haut der Beugeseite des rechten Oberarmes bestand eine Handgrosse Brandnarbe ,die von einer im 6 Lebensjahre erlittenen Verbrennung herrührte.
Der rechte Arm sollte schwächer sein,als der linke ,wurde aber zum Arbeiten gebraucht,in letzter Zeit zu schwerer Küchenarbeit.
Ein Papp-Watteverband fixirte für 3 Wochen das rechte Handgelenke und heilte die Tenalgia.
Patientin zeigt sich erst am 3 Mai 1877 wieder in der Poliklinik.
Jeizt bestand rechts ausgebildete Subluxionsstellung der Hand nach vorne.
Patientin erzählte ,dass, nachdem sie wieder Arbeit übernomen,Schmerzen bei Bewegung im rechten Handgalenk begonnen und statig zugenommen hatten.
In Folge dieser Schmerzen war das Mädchen ziemlich arbeitsunfähig geworden und wurde von ihrer Ileimathsbehörde zur Kur in die Klinik geschickt.



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Da mein besonderes Augenmerk ,ich kann sagen ,seit fast einem Jahrzehnt ,diesem Leiden zugewandt war ,und ich die Deformität bei einzelnen Individuen fand ,die selbst dem Leiden keine ^Beachtung mehr schenkten ,so glaube ich bestimmt annchmen zu könmen,dass Subluxationsstellung auch geringen Grades im October 1876 noch nicht vorhanden war ,sondern sich im Laufe von etwa einem halben Jahre entwickelt hatte.
Nicht wenig interessirte mich in den ersten Fällen ,wo dieses Leiden mir zu Gesicht kam ,die Frage:"Wann erreicht die Missbildung der Form des Handgelenkes ihren Höhepunkt? Bleibt die Functionsstörung ,die Schmerzhaftigkeit ,welche die Patienten zum Arzt treibt,dauernd bestchen? Die Rathlosigkeit ,mit der ich Anfangs den Kranken gegenüberstand ,die Unbequemlichkeit der von mir sp&aunl;ter aus theoretischen Gründen für rationell gehaltenen und vorgeschlagenen Kurverordnungen verhinderten es,dass mir längere Zeit dieselben Patienten im Geisichtskreise blieben .
Um so wichtiger waren mir deshalb die folgenden Beobachtungen.
1875 kam als Begleiterin eines an Kniegelenksentzündung leidenen Kindes die 35 jährige Maria Spaecht aus Gaulshiem in die chirurgische Poliklinik.
Ganz zufällig entdeckte ich an ihrer linken Hand die Subluxationsstellung der Hand nach vorne .
Dieselbe war in einem so hohen Grade vordungen ,wie ich sie nie sonst gesehen und noch beträchtlicher ,als die Abbildungen zeigen .
Diese Frau erzählte ,dass als Mädchen ohne jeden bekannten Grund viel an Schmerzen im linken Handgelenk gelitten ,auch mit Salbeneinreibungen behandelt worden sei ,dass sie wegen der Schmerzen manche häusliche Beschäftigung hätte aufgeben müssen ,dass aber nun bereits seit Jahren jeder Schmerz verschwunden sei und die betreffende Hand zu jeder Arbeit benutzt werden könne .
Die Dorsalflexion war diesem Falle fast vollständig aufgeboben.
Ganz ähnlich war der Sachverhalt bei oben bereits erwähnten Gerber Anton Schreut aus Abrweiler ,der bestimmt angeben konnte, dass im 14.
Lebensjahre die spontane Luxation eingetreten sei,der jetzt ,in seinem 25 .
Jahre ,jede Arbeit seines Berufes verrichten konnte.
Diese zufälligen Beobachtungen des Bestehens schwerer Formveränderungen des Handgelenkes ohne subjective Beschwerden führten mich dazu ,auf die Form des Handgelekes bei Menschen der verschiedensten Gesellschaftsclassen und Berufe genau Obacht zu geben .
Ich war überrascht ,wie ausserordentlich häufig ich geringe Abweichungen von der normalen Stellung auffand.
Diese von den untersuchten Individuen gewöhnlich gar nicht beachteten Abweichungen der Form des Handgelenkes waren immer nach demselben Typus ,wie die beschriebene spontane Subluxation.
Anscheinend ragte nur das Köpfehen der Ulna etwas mehr als normal unter der Hant hervor.



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In Wirklichkeit ^ aber war auch die Radiusgelenkfläche und die Stellung der Handwurzelknochen zu ihr verändert .
Nie fand ich diese Veränderung vor dem 13 Jahre.
Welchen Werth diese Boebachtung für die Erklärung der schweren ,genauer beschriebenen Form von Handsubluxation hat, werde ich gleich zu er*ouml;rtern haben.
Vorher fjedoch will ich, zur Vervollständigung des bisher mitgetheilten ,auf eigenen Untersuchungen beruhenden Krankheitsbildes Dasjenige mittheilen,was ich von originellen Bemerkungen über spontane Subluxation der hand in der Literatur vorfand.
Dupuytren ,der bekanntlich durch seine classischen Untersuchungen die seit Hippocrates gültigen Begriffe über die Häufigkeit der traumatischen Luxationen des Handgelenkes umstürzte,die Seltenheit derselben und die Gründe der Verwechselung mit Fractur des unteren Radiusendes klarlegte ,giebt folgende Schilderung *: "Unter den Affectionen des Handgelenkes ,welche Luxationen haben vortäuschen können ,mussten die folgenden genaunt werden , die wir ziemlich häufig zu sehen Gelengenheit hatten.
Es existirt eine Art von Radio-Carpal -Gelenk ,welche bisher nicht genügend von den Chirurgen studirt ist,von der bestimmte besenders bei Männern ,welche mit den H&aunl;nden ungestüme, hefrichter von Tuch, wenn sie den Hebel der Presse arbeiten lassen.
Unter dem Einfluss dieser beständigen Anstrengungen sieht man nicht selten die Bänder des Handgelenkes erschlaffen und sich derartig dehnen ,dass den Knochen ausgedehntere Bewegungen möglich sind ,als im normalen Zustande .
Die Handwurzel ,die nicht mehr fest an den Vorderarm befestigt ist ,giebt dem Zurge der Beugemuskeln nach und begiebt sich nach vorne vor die unteren Enden des Radius und der Ulna.
Alle anderen Zeichen einer derartigen Luxation sind vorhanden ,ausser Schmerz order Entzündungen .
Die mehr oder weniger beträchtliche Deformität und die Schwäche der Theile sind die einzigen Unannchmlichkeiten dieser Verstellung.
Der Kranke vermag sie gewöhnlich zum Verschwinden zu bringen ,indem er an der Hand zieht ,aber sie stellt sich nach Belieben,oder selbst während der Ruhe wieder her,allein durch das Uebergewicht der an der Volarseite des Vorderarmes gelegenen ^Muskeln.
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* Dupuytren ,Clinique chirurgicale Tome 1 p 164 Bruxelles 1839


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Die mit diesem kleinen Leiden behafteten Individuen suchen selten ärztliche Hülfe .
Die geringe Unbequemlichkeit wird leicht ertragen und ist nicht gross genung ,sie zu nöthigen ,ihre Arbeiten zu unterbrechen oder aufzugeben.
"
Bégin * theilte einen Fall dieser Art,welchen er in der Klinik von Dupuytren bei einem Buchdrucker geschen ,der Akademic mit.
Besonderes Interesse hatte für mich der Fall,den als den einzigen von ihm beobachteten Malgaigne mittheilt.
Derselbe ist , was das äussere Bild des Leidens ,Entstchung und Verlauf betrifft ,einigen von mir beobachteten "sprechend" ähnlich.
Die Luxationsstellung der Hand wurde beobachteten bei einem 36 jährigen Manne.
Aus der genauen Beschreibung sei hier nur erwähnt ,dass der Diameter anterior-posterior des Handgelenkes auf der Ulnarseite bei 2 Zoll betrug ,auf einfachen Druck durch Zusammenrücken der Knochen auf 15 1/3 Linien zurückeführt wurde ,dass die Handwurzel "an dem Griffelfortsatz des Radius nur 3 1/2 Linien in die Höhe steig," "der Diameter ant-post nur auf 14 Linien ging ," dass "der Gelenkrand des Radius sehr eingedrückt und wie nach vorne geneigt war".
Dieser Mann nun,der übrigens keine ,durch seine unreponirbane Handdislocation bedingte Beschwerde, ausser bedeutender Behinderung der Rückwärtsbeugung,zu klagen hatte ,hatte als Kind von 8 oder 9 Jahren den Vorderarm in ein Getriebe gebracht und dabei den Radius in seinem mittleren Theil gebrochen .
Dieser Armbruch wurde gut geheilt.
Drei Jahre nacher,als er einem Maurer diente ,welcher ihn zu schwere Lasten tragen liess,begannen an dem unteren Ende der Ulna,welche nach und nach einen Vorsprung nach hinten bildeten ,Schmerzen.
Seine Mutter nahm ihn von diesem Meister weg,die Dislocation fuhr aber fort ,sich zu vergrössern ,und zwar ohne Auschwellung ,ohne Hinderniss in den Bewegungen und ohne einen anderen Schmerz, als den schon angegebenen .
Nach Verlauf von 18 Monaten war die Handwurzel vollständig nach vorne verrenkt.
Nélaton ** erwähnt einer Boinet an einer Leiche gefundenen Luxation der Hand nach vorne,"sans aucune fracture".
Nélaton konnte durchaus keine Nachricht über die Entstchung ^erhalten.
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* Malgaigne,Verrenkungen ,übers v Burger p662 Stuttgart 1856 **Elemens de pathologie chirurgie T III p195 v Langenbeck Archiv f chirurgie XXIII 2


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Malgaigne constatirt,dass in diesem Falle ,den er gleichfalls gesehen ,keine Missgestaltung der knochen ,keine sichtbare Spur alter Zerreissungen vorhanden gewesen.
C O Weber * schildert einen Fall von ganz allmäliger Entstehung schmerzhaft verkrümmter Stellung der rechten Hand bei einem 16 jährigen Mädchen .
Derselbe Fall wurde vor und nach Weber von W.
Busch ** behandeit und beschrieben .
Busch giebt an ,dass beide Hände nach der Volarseite subluxirt waren.
In der Schilderung der Symptome stimmen beide Chirurgen ¨berein ,ebenso darin ,dass entschieden kein Trauma vorangegangen ,dass kein Zeichen von Entzündung bestand.
Es fehlt bisher an jedweder genügenden Erklärung des Zustandekommens dieser Form- and Functionsstörung der Hand.
Dupuytren and O Weber glaubten dieselbe " offenbar durch Muskelcontraction bewirkt".
Die Gr*uuml;nde für diese Ansicht fehlen.
Busch liess in dem eben erwähnten Falle die Ursache unerklärt,durchschnitt aber den Flexor carpi uln und Palmaris longus subcutan und versuchte dann die Reposition - ohne Erflog.
Einige Collegen ,denen ich Fälle von spontaner Handluxation zeigte,glaubten eine ganz chronisch verlaufende Knochenentzündung als Ursache annehmen zu müssen ,eine Caries sicca ,etwa der Art,wie sie am Schultergelenk verhältnissmässig so häufig vorkommt.
Weder Verlauf ,noch Ausgang des Leidens rechtfertigt eine solche Annahme.
Malgaigne nimt in seinen Fällen "eine einfache Erschlaffung der Bänder ohne irgend eine schätzbare organische Ursache " an .
Hiermit ist nicht mehr gesagt,als wenn wir bei Genu valgum and Scoliose in Schlaffheit der Bänder die Ursache dieser Deformitäten suchen würden.
Das nach dem vorliegenden Beobachtungsmaterial über klinischen und anatomischen Befund Mitgetheilte genügt ,wie ich glaube ,zur Stütze der Ansicht,welche ich mir über die Entstehung der spontanen Luxation der Hand gebildet habe.
Ich rechne diese Gelenkdeformitäten zu den "Wachsthumsstörungen der Gelenke " *** .
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* C O Weber , Chirurgische Erfahrungen und Untersuchungen p232 Berlin 1859.
** W Busch ,Lehrbuch der Chirurgie Bd II 3 Abth p111 Belin 1864.
*** Pitha Billroth ,Handbuch der Allgemeinen und speciellen Chirurgie Bd II 2 p692


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Volkmann fasst in dieser Gruppe diejenigen ^ Deformitäten zusammen ,"die nur bei Kindern und jugendlichen Individuen entstchen und abhängig sind von allmäligen Umformungen der zuvor wohlgebildeten articulirenden Flächen durch mechanische Einflüsse ,welche das normale Knochenwachsthum alteriren".
Unter den derartig umformenden, mechanischen Einflüssen ist der wichtigste "das Köpergewicht", " die Belastung des Gelenkes durch die über ihm gelegenen und von ihm getragenen Körperabschnitte".
Pes valgus ,Genu valgum ,Scoliose sind häfigsten Repräsentanten dieser Grappe.
Die oberen Extremitäten sind beim Menschen von der Verpflichtung ,das Körpergewicht zu tragen ,befreit.
Aber auch an ihnen werden Wachsthumsstörungen entstchen können ,wenn sie ,entweder noch im Wachsthum begriffen ,oder durch irgend welche schwächende Umstände in ihrer Ernährung gestört ,zur Ausführung von Arbeiten gezwungen werden ,die verhältnissmässig zu schwer für sie sind,die zu andauernd von ihnen gefordert werden.
Auch am Oberarmgelenk und am Ellenbogengelenk sind ,wie ich glaube ,derartig typische Wachsthumsstörungen zu beobachten.
An anderer Stelle möchte ich ihre Beschreibung geben.
Am Handgelenk ist vielleicht die einzige,jedenfalls die am häufigsten vorkommende Wachsthumsstörung die sogennte spontane Luxation nach vorne *.
Hueter beschreibt in seiner Klinik der Gelenkkrankheiten (Bd II,S 483),wie die beim Neugeborenen sich findende ulnare Abductions - und Beugestellung der Handwurzel,"bedingt durch den zusammenkugelnden Einfluss der Uteruswandungen auf den ^Fötalkörper " sich durch die allmälige Ausbildung der Streckbewegungen ,welche die alltägliche Beschäftigung der Hände erfordern ,aussbildet.
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* In der Sitzung des Chirurgen -Congresses ich mir ,im Hinblick auf diese aetiologische Deutung für die spontane Subluxation der Hand nach vorne den Namen Manus valga verzuschlagen.
Theils bewog mich hierzu das Beispiel Hueter's,der für die auf fötaler Missbildung berhende Formentstellung der Hand ,bei welcher Ulnarabduction and Beugestellung besteht ,den Namen Klumphand ,Manus vara,aufnimmt,wegen der Analogie dieser Formstörung mit dem Klumpfuss;theils suchte ich überhaupt nach einem neuen Namen,um den immer zur Verwechselung mit traumatischer Luxation dass der Name Manus valga nicht passend sei, da er bereits von Dieffenbezeichnet Dieffenbach Contracturen der Hand als dem Varus entsprechend ,webei die Hand gekrümmt,nach der Volarseite hingezogen ,als dem Valgus analog einen Zustand der Hinterrücksbiegung der Handwurzel (Operative Chirurgie I p838) Hiernach kann freilich die Wiederbenutzung des Namens Manus valga für noch eine weitere Formstörung nur Irrthümern Anlass geben


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Er bemerkt dann weiter ,dass "einem aufmerksamen Beobachter es gelingen müsste ,von minimalen Veränderungen der Form einzelner Handwurzelknochen oder einzelner Gelenkflächen auf die Beschäftigung des Individuums einen Rückschluss zu machen,welches jene Knochen trug".
Bis jetzt hat Niemand sich die Mühe gegeben ,diese minimalen Formveränderung zu studiren und zu beschreiben,aber die klinische Beobachtung giebt uns genung Zeichen ,dass die Formen der Gelenkfläche der Handwurzelknochen nicht in den ersten Lebensjahren fertig werden ,sondern dass bis zum Abschloss des Knochenwachsthumes ihre Umbildung durch die Arbeit ,die das Individuum verrichtet,fortdauert.
Rasch vor sich gehende Umformung von Gelenkflächen und Gelenkbändern durch Arbeit bereitet immer Schmerz,sowohl an den aufeinander gepressten Knochenkanten,als an dem über sein Maass gedehnten Bandapparat.
Hyperästhesie der Gelenke,die wir am Fuss bei muskelschwachen,jugendlichen Individuen so regelmässig beobachten ,wenn besondere Anstrengungen im Gehen und Stehen zugemuthet werden,ist auch an der Händen der in die Pubertätszeit eintretenden männlichen und weiblichen Jugend ausserordentlich häufig zu beobachten.
Wer selbst zur Zeit Studienjahre die edle Fechtkunst geübt, oder wer ,später in einer Universitätsstadt lebend ,die kleinen Leiden der akademischen Jugend zu behandeln Gelegenheit gehabt hat , der kennt den Zustend des "Verpauktseins ".
Muskelschwache ,von unverhältnissmässigem Eifer beim Erlernen der Waffenkunst getricbene Studenten der ersten Semester sind diesem Leiden ausgesetzt.
Nicht nach einem Fehlhieb ,nach einer Distorsion ,nicht nach einer Contusion des Gelenkes durch einen dasselbe treffenden Schlag, Fechtübungen stellt sich ein Zustand von heftiger Schmerzhaftigkeit im Handgelenke ein.
Selbst der Eifrigste wird zur Ruhigstellung des Handgelenkes für Monate gezwungen .
Wird statt der rechten Hand die linke provisorisch zur Führung des Schlägers benutzt,so wird auch diese bald von derselben Schmerzhaftigkeit befallen.



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Ruhe und Schonung ,oft Semester bindurch geübt,bringen ^den Schmerz zum Verschwinden ,und mit dem Erstarken der Armmuskulatur und zugleich des ganzen Organismus verschwindet jede Spur davon.
Dasselbe Leiden befällt ,nach übertreibener Ausübung einer ganz anderen Kunst,der des Clavierspiels ,häufig genung die Zöglinge der modernen Mädchenpensionate.
Hier wird ihm wohl oft unr#verdient der Name "Gelenkneuralgie" gegeben.
Wenn man Mädchen ,welche die erste Lehrzeit im Waschen durchmachen ,zu beobachten Gelegenheit hat ,wird man finden,dass kaum eine völlig frei von Schmerzen derselben Sorte ist.
Die Erklärung dafür ist gegeben ,wenn man einmal zusieht,wie z B beim Auswringen eines grösseren Waschestückes die Handgelenke der Anfängerinnen maltraitirt werden,wenn man sicht ,wie die ältere,geübte Frau der Anfängerin dabei beständig die Häde in den höchsten Grad von Dorsalflexion hineintreibt.
Die meisten jüngeren Wäscherinnen binden sich,um dem heftigen Schmerz einigermaassen vorzubeugen ,zur Unterstützung des Handgelenkes ein breites Band um den untern Theil des Vorderarmes.
Erst wenn die Armmuskulatur der Arbeit entsprechend stark geworden ,erst wenn diese Personen beim Auswringen gelernt haben ,durch rechtzeitiges Nachgreifen,mit Hülfe kräftig entwickelter Beugemuskeln dem passiven Ueberstrecken auszuweichen ,erst dann hört der Schmerz auf.
Mit diesen Schmerzen ist,wie gesagt,immer Umformung der Bewegungsexcursen des handgelenkes verbunden .
Der Effect wird meist freilich nur eine noch in den Grenzen des Normalen liegende Erweiterung der Beuge- und Streckfähigkeit sein.
Aber nur zu häufig wird ,wenn Schmerz unbeachtet bleibt ,wenn die Arbeit mit den zu schwachen Händen immer weiter verrichtet werden muss , die Umformung der Gelenkfläche abnorm.
Sie führt zur Deformität ,zur Subluxation nach vorne in derselben Weise ,wie am Fuss,am Knie die übertriebene Anstrengung beim Gehen und Stehen zum Pes valgus ,zum Genu valgum führt.
Der mechanische Vorgang bei dieser Umformung ,der gerade die Subluxationsstellung der Hand nach vorne bedingt,scheint mir nach meinen anatomischen Untersuchungen der folgende zu sein.
Für die Bewegungsexcursionen der Handgelenke wie für die anderer Gelenke sind Bewegungshemmungsvorrichtungen von dreierlei Art gegeben: Die knöcherne,die Bänder- und Muskelhemmung.Die knöcherne,die Bänder- und Muskelhemmung


408a.

Aber wie Hueter * gezeigt hat,ist für die Hand von ganz besonderer Bedeutung die durch die Anordnung der polyarthrodialen Muskeln gegebene Hemmung.
Ganz überwiegend werden die Arbeiten des täglichen Lebens ,die mit den Händen ausgefühtrt werden, durch die Beugemuskeln verrichtet .
Es bleiben ja Menschen mit completer Radialislähmung zur Verrichtung grober Arbeit meist noch befähigt .
Die Beugemuskeln übertreffen eben durch die Masse ihrer contractilen Substanz die Streckmuskeln um ein Bedentendes .
Die Haupthemmungsvorrichtung für die volare Hyperflexion wird durch die Spannung der Schnen der Extensoren gegeben.
Diese Sehnen aber verlaufen fast ausschliesslich über die vordere Epiphyse des Radius ,bevor sie zum Rücken der Handwurzelknochen und weiter gelangen.
So muss jede bis zum Extrem ausgeübte Volarflexion nach der Vola zu ausüben.
Aus diesem immer wiederkchrenden Druck and Zug entsteht eine Wachsthumsstörung ,welche die Achse des Radius nach der Vola zu krümmt.
Doch die Uebermüdung überwunden.
Die Knochen - und Bandhemmung tritt in Wirksamkeit.
Sofort werden dann beim wachsenden,band- und knochenschwachen apparates eintreten müssen.
Abnorm starker Druck belastet die unteren Kanten der Radiusgelenkfläche und der Handwurzelknochen,bringt dieselben zum Wachsthumsstillstand,zum Schwund.
Entlastet von Druck dagegen wird der obere Rand der Radiusgelenkfläche.
Er wächst ebenso ,wie der Condylus internus des Femur beim Genu valgum.
Wäre die dauernde Stellung der Hand nur bedingt von der Wirkung der Beugemuskeln,bestände statt der wiederholten Arbeitscontractionen eine Contractur,wie früher vielfach angenommen,dann Umbildung der Radius -Gelenkfläche eine permanente Beugestellung der Hand entstehen.
Doch dem ist nicht so.
Die Axen der Handwurzel und der oberen Hälfte des Radius stehen annähernd parallel zu einander .
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* Virehow's Archiv XLVI p37


409a.
Dies wird hervorgebracht durch die immerhin doch fortbestehende Thätigkeit der Dorsalflexion und,^wie ich glaube ,auch in recht beträchtlicher Weise durch das Gewicht der Hand in der ruhenden Stellung,beim verticalen Herabhängen.
Warum die Dorsalflexion durch diese Verbildung des Handgelenkes leiden muss,das zeigt ein Blick auf die gegebenen Zeichnungen.
Bei jedem Versuch muss der an der Stelle des oberen scharfen Randes der Radiusgelenkfläche hervorgewucherte Höcker sich gegen den Rücken der Carpalknochen stemmen.
Ein Rückblick auf die von mir mitgetheilten klinschen Beobachtungen wird,glaube ich ,die so vielfachen Analogicen,welche die spontane Handsubluxation mit den Wachsthumsstörungen an den unteren Extremitäten hat,rasch in's Auge fallen lassen.
Wie fü jene,ist das Alter zwischen dem 13 und 23 Jahr,das weibliche Geschlecht ,die arbeitenden Stände besonders prädisponirt .
Wie beim Pes valgus,so erreicht auch bei der spontanen Handsubluxation die Formveränderung mit dem Abschluss des Knochenwachsthumes ihren Stillstand.
Wie dort,erlischt auch hier die Schmerzhaftigkeit.
obgleich Formveränderung und Behinderung der Bewegungsexcursion bestchen bleibt.
Wohl müssen wir,wenn wir sehen,dass von 100 und mehr Individuen ,welche dieselbe schwere Handarbeit in demselben Alter thun ,doch nur eines die beschriebene Handmissbilldung erleidet zur Erlärung auf einen "primären Schwächezustand der Knochen" recurriren.
Aber denselben müssen wir auch für Scoliose und Plattfuss hypothetisch annehmen.
Wenn wir sehen ,wie bei einem Individuum beide Hände gleichmässig sich verändern ,vielleicht bei demselben Individuum noch Plattfussbildung aufritt ,so wird uns diese Annahme sicher leicht.
So wie wir ferner oft auch bei ausgewachsenen Männern,wenn sie eine Fractur an der unteren Extremität erlitten und der Monatelange Nichtgebrauch des Gliedes Atrophie aller Gewebstheile desselben hervorgebracht hatte,Plattfuss entstehen sehen,so kann auch in einzelnen seltenen Fällen bei einer erwachsenen Person eine Schwächung der Ernährung der Oberextremität und nachfolgende,unverhältnissmässig schwere Arbeit zur Subluxation der Hand führen.
Es ist bis jetzt keiner Behandlungsmethode gelungen,die ausgebildete Subluxationsstellung der Hand zu beseitigen.



410a.
Wiederholt hat man versucht ,die spontan subluxirte Hand gleich einer traumatisch verrenkten zu reponiren und in reponirter Stellung zu erhalten .
Ein Blick auf Das,was ich über die inneren Structurverhältanisse des Handgelenkes bei spontaner Subluxation mitgetheilt habe ,genügt ,um zu zeigen,dass eine plötzliche ,gewaltsame Einrenkung der Hand ebenso unmöglich ist,wie die Kur des Plattfusses durch plötzliche Reposition eines oder mehrerer Fusswurzelknochen.
Keiner der Chirurgen ,welchem die Reposition,ihrer Meinung nach,gelang,war im Stande ,die Hand in der reponirten Stellung zu erhalten.
Bégin erwähnt,dass in seinem Falle ein einfacher Zug an der Hand genügte ,um die Dislocation einzurichten,dass dieselbe aber von freien Stücken durch die alleinige Thätigkeit der Beubemuskeln wieder hervorgebracht wurde.
Busch versuchte Reposition in der Narcose und fixirte dann die Hand in der Beugestellung,ohne Besserung zu erreichen.
C O Weber nahm in demselben Falle,nachdem er gleichfalls die Nutzlosigkeit von Gypsverbänden zur Erhaltung der Reposition erprobt,zu einer Maschine,die mittelst Foderkraft die Wirkung der Hände ersetzen sollte,seine Zuflucht (auf Taf 5 ,Fig 3 u 4 seines Werkes ist dieselbe abgebildet).
Er schreibt ,dass die Retention damit volkommen gut bewerkstelligt wurde.
Aber nachdem Weber nach Heidelberg wieder zur Klinik zurück.
Busch durchschnitt hierauf subcutan den Flexor carpi ulnaris und den Palmaris long^ und versuchte nun die Reposition.
Aber die Subluxation "nahm stetig zu".
Ebenso wenig können antiphlogistische Mittel helfen.
Häufig sah ich dieselben in Form elegant mit Jodtinctur gemalter Armbänder angewandt.
Rationeller würden Kurversuche sein ,die eine allmälige Umformung der deformirten Handgelenkstheile zum Zwecke hätten .
Es würden durch Druck die gewucherten Knochentheile zum Schwund zu bringen sein ,es müssten andere Gelenkabschnitte für längere Zeit von Druck befreit werden.
Gypsverbände ,welche die Hand für längere Zeit in dorsalflectirter Stellung erhalten,würden diesem Zweck entsprechen.
aber der Ausführung dieses Behandlungsplanes stehen an der Hand grössere Schwiergkeiten entgegen ,als an den untern Extremitäten.




411a.
Sicher werden selten Patienten,und am wenigsten die den arbeitenden^ Classen angehörenen ,geneigt sein ,für Monate und Monate vollständig auf den Gebraiuch ihrer Hände zu verzichten.
Dafür sind die Beschwerden ,welche die Subluxationstellung der Hand mit sich bringt,doch zu gering.
Bestcht das Leiden aber gar an beiden Händen ,so wird selbst der energischste Therapeut hülflos zu machen.
Ich habe nur in einem Falle eine derartige Behandlung einigermaassen consequent durchgeführt (mehrere andere Patienten verzichteten,nachdem einige Wochen die Hand durch Gypsverbände fixirt gewesen war,auf weitere Behandlung).
Die Patientin,die sich längere Zeit diese Behandlung gefallen liess - es war die oben erwähnte Herchenbach - war nebenbei hochgradig hysterisch.
Die rechte Hand derselben ist während eines halben Jahres mit Fixation im Gypsverbande in verschiedenen Stellung,mit Handbädern und methodischen Uebungen behandelt worden.
Zum Schluss leichtere Arbeit wieder mit der rechten Hand,ohne Schmerz zu empfinden,verrichten.
Die äussere Form der Deformität war nicht geändert.
Seidem ich weiss ,dass die Schmerzhaftigkeit des Handgelenkes auch bei hochgradiger Subluxation von selbst erlischt,dass die Behinderug der Dorsalflexion die Arbeitsfähigkeit nicht achränke mich auf den Rath,die Hand möglichst zu schonen,speciell bei Arbeiten, die forcirte Volarflexion erfordern.
Ich versuche ferner,durch methodische Uebung den Arm in allen seinen Theilen zu kräftigen.
Einigen Patienten habe ich einen wirklichen Dienst gethan ,indem ich ihnen das Tragen einer genau nach der Form des Handgelenkes geformten Kapsel von Sohlleder empfahl,durch eine zwischen Zeigefinger und Daumen hinlaufende Schlinge aber vor dem Aufwärtsrutschen am Arm verhindert wurde.
Ein solches Halsband erlaubt die nöthigsten Beschäftigungen vorzunehmen und verhindert doch allzu ausgedehnte Bewegungen im Handgelenk.



412a.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel V.
Fig 3 Spontan subluxirte Hand von dor Ulnarseite aus gesehen.
Fig 4 Dieselbe Hand ,von der Radialseite aus gesehen.
Fig 5 Dieselbe Hand ,von der Rückenseite aus gesehen.
Fig 6 Sagittal-Schnitt durch das normale Handgelenk bei Mittel - Stellung (nach Henke).
Fig 7,8 Die auf S.
261 angeführten Sagittalschnitte.
.
L Os lunatum.
C Os capitalum.
HH Os hamatum.
P Os pisiforme.
T Os triquetrum.

Graphics relating to Madelung Wrist Deformity from 1878
 MWD graphics from 1878

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